Am 10. Mai 2023 wurde auf der Website der Stadt Pforzheim eine Pressemeldung mit dem Titel “Pforzheim auf dem Weg zur Fahrradstadt” veröffentlicht.
Ich war beim Lesen der Pressemeldung sehr verwundert und frage mich, ob da von einem anderen Pforzheim die Rede ist als dem, das ich kenne.
Immerhin hab ich gut gelacht. 🤪
Fahrradklimatest als Grundlage für weitere schlechte Infrastruktur?
Los geht es mit dem Verweis auf den Fahrradklimatest von 2022 vom ADFC, bei dem die Stadt Pforzheim die Schulnote 4,5 bekommen1 hat und damit den 38. Platz von 40 Plätzen im “Städteranking “Ortsgrößenklasse 100.000 bis 200.000 Einwohner” belegt.2
Dieses Ergebnis dürfen wir nicht leugnen. Im Gegenteil: Wir nehmen das Feedback der Pforzheimerinnen und Pforzheimer ernst und es ist Ansporn für uns, das Fahrradklima durch Infrastrukturmaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit kontinuierlich zu verbessern“, so der Rathauschef. Bürgermeisterin Schüssler ergänzt: „Der Fahrradklimatest ist für die Stadtverwaltung ein wichtiger Gradmesser. Er zeigt, wie das Radfahren in der Stadt wahrgenommen wird und wo es weiterhin Verbesserungspotential gibt. Schritt für Schritt gehen wir diese Probleme an.“
Pressemeldung der Stadt Pforzheim
Ich finde es schon irgendwie spannend, dass mit Verweis auf die extrem schlechten Ergebnisse des Fahrradklimatest behauptet wird, man nehme die Kritik ernst und wolle deshalb den Radverkehr in Pforzheim verbessern, dann aber nur Projekte umsetzt (siehe unten), die die objektive Sicherheit von Radfahrenden nicht verbessern, z. B. Schutzstreifen durch die Dooringzone oder “Radfahrstreifen in Mittellage”.
So bekam Pforzheim im Fahrradklimatest 2022 die folgenden Schulnoten bezüglich Sicherheit:3
- Fahren auf Radwegen & Radf.-streifen: 4,9
- Falschparkerkontrolle auf Radwegen: 5,1
- Sicherheitsgefühl: 5,1
- Breite der (Rad)wege: 5,1
- Fahren im Mischverkehr mit Kfz: 5,1
Wenn man weiterhin nur schmale Schutzstreifen malt und dann noch nicht einmal dafür sorgt, dass diese durchgängig von Falschparkern befreit werden und auch Überholabstände weder kontrolliert noch geahndet werden, dann werden diese Ergebnisse auch in Zukunft nicht besser werden.
“Positivbeispiel” Ebersteinstraße
So werden als positive Beispiele auf dem Weg zur Fahrradstadt der erst kürzlich freigegebene “Radfahrstreifen in Mittellage” und die Schutzstreifen an der Kreuzung Ebersteinstraße / Hohenzollernstraße / Heinrich-Wieland-Allee genannt.
Die Stadt Pforzheim treibt den Radverkehr mit verschiedensten Projekten stadtweit voran. „Erst kürzlich haben wir auf der Ebersteinstraße eine neue Radachse markiert, die die Nord-Südachse in unserer Stadt stärkt und die Anbindung an den Hauptbahnhof deutlich verbessert. Damit haben wir in der Nordstadt eine wichtige Ausbaumaßnahme für mehr Sichtbarkeit und Sicherheit im Radverkehr auf einer der Hauptradverkehrsachsen umgesetzt“, beschreibt Oberbürgermeister Boch.
Pressemeldung der Stadt Pforzheim
Hier ein paar Fotos dieser neuen Radachse, die laut Oberbürgermeister für mehr Sicherheit und Sichtbarkeit im Radverkehr sorgt:
Hier alle Informationen zur Malerei an dieser Kreuzung.
“Positivbeispiel” Westliche Karl-Friedrich-Straße
Als weiteres positives Beispiel werden die Schutzstreifen in der Westlichen Karl-Friedrich-Straße genannt:
Wichtige Maßnahmen auf der Westlichen stehen kurz vor dem Abschluss „Auch in der Westlichen Karl-Friedrich-Straße geht es voran“, ergänzt Bürgermeisterin Schüssler. Dort wird zwischen Pestalozzistraße und Viktoriabrücke unter anderem ein beidseitiger Radschutzstreifen eingerichtet.
Pressemeldung der Stadt Pforzheim
Und weiter:
„Radfahrerinnen und Radfahrer können die wichtige Verbindung der Westlichen nun sicher nutzen. Durch den Ausbau ist dort nicht nur mehr Raum für Radfahrende entstanden, sondern auch für Fußgängerinnen und Fußgänger. Sowohl Fußgängerquerungen als auch Bushaltestellen sind nun endlich barrierefrei“, freut sich Schüssler.
Pressemeldung der Stadt Pforzheim
Und das ist die als sicher verkaufte Infrastruktur, auf der Radfahrerinnen und Radfahrer die wichtige Verbindung durch die Dooringzone der Längsparker sicher nutzen können, während sie links vom Kraftfahrzeugen mit viel zu wenig Abstand überholt werden:
Hier alle Informationen zur Malerei auf der Westlichen Karl-Friedrich-Straße.
Für sicheren Radverkehr sensibilisiert man nur Radfahrende?
Mit vielfältigen Angeboten und Aktionen versucht die Stadt Pforzheim, nicht nur Radfahrende zu schulen, sondern auch andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer für die Bedürfnisse der Radfahrenden zu sensibilisieren.
Pressemeldung der Stadt Pforzheim
Aufgelistet werden dann:
- Radspass Fahrsicherheitskurse für Pedelecfahrende.
- Stadtradeln, wo Radfahrende Kilometer sammeln, damit sich die Stadt Pforzheim am Ende als fahrradfreundlich verkaufen kann.
Ich sehe nichts, womit man andere Verkehrsteilnehmende für die Bedürfnisse von Radfahrenden sensibiliseren möchte, nicht einmal einen Versuch dafür. Man könnte z. B. anfangen, Autofahrende für den Abstand beim Überholen von Radfahrenden zu sensibilieren. Es ist natürlich einfacher, Pedelecfahrenden auf einem Parkplatz die Risiken von Pedelecs zu erklären.
Fahrradmordor wird nicht zur Fahrradstadt
Auch in Zukunft wird Fahrradmordor nicht zu einer Fahrradstadt werden, da muss man sich keinerlei Illusionen machen.
Wer Farbe für sichere Infrastruktur für völlig ungeschützte Verkehrsteilnehmende außerhalb von motorisierten Blechkisten hält, der sollte diese selbst im Alltag erleben, verpflichtend.
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