An der Kreuzung Ebersteinstraße/Heinrich-Wieland-Allee/Hohenzollernstraße wurden am 20. April 2023 die Malarbeiten beendet. Ich beschreibe hier die frühere Situation vor Ort und danach die neue Situation. Und ich zeige auf, wo meiner Ansicht nach, Konflikte entstehen werden und wo es Gefahren gibt.
Frühere Situation
Früher durften Radfahrende die Ebersteinstraße nicht in Gegenrichtung befahren, da sie eine Einbahnstraße ist. Diese durfte von Süden nach Norden (bergauf) mit einer maximalen Geschwindigkeit von 30 km/h befahren werden. Man durfte auf dem linken Fahrstreifen nur nach links in die Hohenzollernstraße abbiegen und auf dem rechten Fahrstreifen nur nach oben in die Heinrich-Wieland-Allee fahren oder nach rechts in die Hohenzollernstraße abbiegen.
Es gab auf keiner der anliegenden Fahrbahnen der Kreuzung Schutzstreifen oder irgend etwas anderes für Radfahrende.
Hier die Kreuzung und die betreffenden Straßen auf einer Karte:
Neue Situation
Im Zuge der Realisierung einer “Nord-Süd-Achse”, deren Teile aus der Heinrich-Wieland-Allee (B294) und der Ebersteinstraße bestehen, wurde die Einbahnstraße Ebersteinstraße in Gegenrichtung für Radfahrende freigegeben.
Zudem wurden für das Befahren der Nord-Süd-Achse im Kreuzungsbereich Schutzstreifen aufgemalt, ein “Radfahrstreifen in Mittellage”1 auf der Heinrich-Wieland-Allee und in der Ebersteinstraße auf beiden Seiten relativ kurze Schutzstreifen.
Für zu Fuß Gehende gibt es eine neue Querungshilfe auf der Ebersteinstraße. Entlang der Hohenzollernstraße (West-Ost/Ost-West) wurde nichts verändert.
Ich habe die Beschreibung der neuen Situation vor Ort in zwei Abschnitte aufgeteilt. Zuerst die Strecke von Süden nach Norden (bergauf) von der Ebersteinstraße in die Heinrich-Wieland-Allee und zum anderen die entgegen gesetzte Richtung von Norden nach Süden (bergab).
Von Süden nach Norden (bergauf) – Ebersteinstraße -> Heinrich-Wieland-Allee
Fährt man von unten in die Ebersteinstraße ein, so fallen einem zuerst die neuen Fahrradpiktogramme auf.
Auf der rechten Seite gibt es weiterhin Platz für circa. 8 Autoparkplätze.
Danach beginnt ein Schutzstreifen (1,50 m nutzbare Breite) und zusätzlich gibt es die Beschilderung “Absolutes Halteverbot”, die es meines Wissens nach gar nicht mehr bräuchte, da Halten auf Schutzstreifen seit der neuen StVO 2020 gar nicht mehr erlaubt ist.
Links davon ist der Fahrstreifen 3,00 m breit. Hier wird man in Zukunft dann vermutlich immer mit sehr wenig Abstand überholt werden. Vor der Ampelanlage gibt es einen vorgezogenen Aufstellbereich für Radfahrende.
Es ist für alle Verkehrsteilnehmenden erlaubt, nach links oder rechts abzubiegen oder geradeaus in die Heinrich-Wieland-Allee zu fahren.
Besonders zu Beginn der Kreuzung knickt der Schutzstreifen stark nach rechts ab und es wurde zudem vergessen, die alten Striche zu entfernen, sodass meiner Ansicht nach dort gefährliche Situationen entstehen könnten, sollten sich Autofahrende nach diesen vergessenen Linien richten.
Der Schutzstreifen, der über die Kreuzung führt ist inklusive Begrenzungslinien (links und rechts) durchgängig 1,5 m schmal, effektiv also 1,26 m schmal und links davon sausen dann die motorisierten Verkehrsteilnehmenden mit null Abstand auf ihrem Fahrstreifen von 2,75 m Breite an einem vorbei. Dabei ist der Schutzstreifen auf der Kreuzung nicht gerade gemalt, sondern hat schöne Rundungen, die wohl kaum jemand im Auto befolgen wird.
Der Schutzstreifen hört noch im Kreuzungsbereich einfach auf und man kann sich selbst ausmalen, was in dieser Situation passieren wird.
Z. B. so etwas hier:
Direkt danach gibt es wieder Längsparker. Willkommen in der Dooringzone.
Im Plan gibt es noch einen Schutzstreifen, der vom Ende der Kreuzung bis ca. 30 m die Heinrich-Wieland-Allee hinauf reicht und im Plan eine Gesamtbreite (inklusive Begrenzungslinien) von 1,5 m hat, effektiv also eine nutzbare Breite von 1,26 m hat, links davon einen Fahrstreifen mit 2,75 m Breite und rechts davon einen “Sicherheitspuffeŕ” von gerade mal 50 cm und dann Längsparker mit einer Parkplatzbreite von gerade mal 2,00 Metern.
Wieso dieser in der Fertigstellung fehlt, ist mir nicht klar.
Von Norden nach Süden (bergab) – Heinrich-Wieland-Allee -> Ebersteinstraße
Fährt man von der Heinrich-Wieland-Allee bergab in Richtung Süden in Richtung Ebersteinstraße, so kann man sich nun über einen sogenannten “Radfahrstreifen in Mittellage”1 (RiM) erfreuen, der auf der Heinrich-Wieland-Allee ca. 30 m vor der Kreuzung im Nichts beginnt und inklusive der gestrichelten Begrenzungslinien 1,85 m breit ist. Effektiv (ohne Linien) ist der Radweg noch 1,35 m schmal. Mein Fahrrad ist z. B. 90 cm breit. Links und rechts davon gibt es jeweils 3 Meter breite Fahrstreifen (Links- und Rechtsabbiegefahrstreifen).
Und das Beste an dem neuen Radfahrstreifen in Mittellage ist? Na? Genau, er fängt einfach mitten im Nichts an, bzw. dort, wo man früher auf dem Linksabbiegefahrstreifen fuhr und jetzt völlig ungeschützt mit dem Fahrrad eine Verschwenkung nach links fahren muss. Radfahrende müssen sich also in den Weg der schnell bergab gefahrenen motorisierten Fahrzeuge begeben und hoffen, dass die Fahrzeugführenden rechtzeitig ausweichen, statt geradeaus weiterzufahren, wie bisher immer. Bei großen Lkw funktioniert das nicht sehr gut, da diese viel zu breit sind, wie ich schon ein paar Mal miterleben konnte.
Der “Radfahrstreifen in Mittellage” ist an der Kreuzung nach vorne hin vorgezogen, sodass man circa zwei bis drei Meter weiter vorne steht als auf den anderen beiden Fahrstreifen. Dadurch kann man die linke Ampel gar nicht mehr einsehen, die rechte Ampel nur noch relativ schlecht. Eine zusätzliche Ampel für Radfahrende gibt es nicht.
Im Kreuzungsbereich ist der Radweg (inklusive Begrenzungslinien) 1,85 m schmal (effektiv nutzbar 1,61 m) und verjüngt sich gegen Ende der Kreuzung an der Ebersteinstraße auf nur noch 1,55 m (effektiv 1,31 m).
Dann fährt man zwischen einer Querungshilfe und dem Bordstein in die Ebersteinstraße ein.
Nach einer kleinen Sperrfläche rechts mit zwei neuen Fahrradbügeln gibt es mehrere Parkplätze.
Dank der Einbahnstraße kann man (je nach Spiegelung der Frontscheibe) noch erkennen, ob jemand im ersten Fahrzeug sitzt und ob Beifahrer:innen die Fahrzeugtüre, ohne auf Radfahrenden zu achten, öffnen könnten. Beim zweiten Fahrzeug und den weiteren geparkten Fahrzeugen ist das bei einer Geschwindigkeit jenseits von Schrittgeschwindigkeit aber nicht mehr realistisch.
“Furchen” überall dort, wo alte Fahrbahnmarkierungen abgefräst wurden
In verschiedenen Bereichen gibt es Furchen auf der Fahrbahn. Überall dort, wo alte Fahrbahnmarkierungen abgefräst wurden. Diese sind beim Überfahren mit dem Fahrrad deutlich spürbar. Das ist bei geringen Geschwindigkeiten noch kein Problem. Wenn man aber z. B. an der Ampel grün hat und entsprechend schnell bergab fährt und dann ohne Kenntnis mehrere Furchen überfährt, ist es meiner Ansicht nach nicht ohne.
Gefährlich werden könnten diese Furchen in Längsrichtung meiner Ansicht nach im Bereich des “Radfahrstreifens in Mittellage” auf der Heinrich-Wieland-Allee, wo zusätzlich überall auf der Fahrbahn Splitt verteilt ist. Stark bremsen würde ich hier lieber nicht und auch sonst würde ich diese Stellen nicht überfahren wollen.
Auch dort, wo vorher die Haltlinie an der Heinrich-Wieland-Allee war gibt es einen solche Furche:
Dann gibt es zu Beginn und am Ende der Querungshilfe jeweils deutlich merkbare Furchen:
Warum keine einfache Alternative?
Da Nicht-Radfahrende von der Heinrich-Wieland-Allee aus weiterhin nur links oder rechts abbiegen dürfen und dafür eine eigene Ampelphase haben, hätte man meiner Ansicht nach auf einem der Fahrstreifen einfach ein “Fahrrad frei” aufstellen können, damit Radfahrende geradeaus in die Ebersteinstraße fahren dürfen. So hätte man sich den gefährlichen Radfahrstreifen in Mittellage sparen können und auch die Radwegmarkierungen auf der Kreuzung. Das wäre wohl zu einfach gewesen und man hätte sich nicht mit “Wir tun was für den Radverkehr” profilieren können.
Abbiegen von der Hohenzollernstraße in die Ebersteinstraße
Es ist laut Beschilderung nicht erlaubt, dass Radfahrende von der Hohenzollernstraße aus nach rechts in die Ebersteinstraße abbiegen. Ich werde das mal bei den Radverkehrsbeauftragten der Stadt Pforzheim anfragen.
Geschwindigkeitsbegrenzung 30 km/h nicht in Gegenrichtung?
Von Süden nach Norden ist die Ebersteinstraße mit Tempo 30 beschildert. Umgekehrt hat man das Schild jedoch scheinbar vergessen, sodass Radfahrende theoretisch mit 50 km/h bergab fahren dürften. Und das ist dort auf abschüssiger Strecke nicht unmöglich, wenn man vorher schon Grün an der Kreuzung hatte, jedoch nicht sehr schlau.
Gemalte Infrastruktur, die man zur eigenen Sicherheit meiden/ignorieren sollte
Die Heinrich-Wieland-Allee ist eine der Hauptachsen der Stadt Pforzheim mit viel Schwerlastverkehr. So wurden z. B. die Fahrbahnmarkierungen laut Pressemeldung der Stadt Pforzheim in Absprache mit der Autobahn GmbH zeitlich terminiert.2
Wer sich traut, zwischen Lkw, Bussen und Autos eingepfercht bergab zu fahren und darauf vertraut, dass er bei der Verschwenkung nach links am Start des RiM nicht vom nachfolgenden Verkehr überrollt wird, für den ist es eine Möglichkeit, über die Ebersteinstraße in die Stadtmitte zu kommen. Ich habe schon Rückmeldungen von Menschen bekommen, dass sie zu große Angst haben, dort Fahrrad zu fahren.
Überall dort, wo Schutzstreifen gemalt wurden, sollten Radfahrende diese ignorieren (was sie dürfen) und links davon fahren, damit man sie gar nicht erst überholen kann. Denn das wird dann meist ohne relevanten Sicherheitsabstand gemacht werden, so meine Erfahrung im Alltag. Vor allem, wenn man von Süden nach Norden bergauf fährt, sollte man sich so verhalten.
Auch dort, wo der Radweg einfach aufhört, gibt es Konfliktpotenzial, weil Autofahrende dort den gesamten Fahrstreifen für sich beanspruchen werden und Radfahrende an solchen Stellen immer im Nachteil sein werden.
Meiner Ansicht nach wurde hier absolut gar nichts für den Radverkehr in Pforzheim getan. Es wurden im Gegenteil unnötige Stellen mit Gefahrenpotenzial geschaffen. Für die meisten Menschen ist das keine angstfrei nutzbare Infrastruktur. Die Menschen, die sich bisher nicht trauten, in Pforzheim Fahrrad zu fahren, wird diese Infrastruktur auch weiterhin nicht aufs Rad bringen.
Doch genau das möchten die Verantwortlichen in Pforzheim erreichen, so kommuniziert man es zumindest. Wenn ich mir allerdings anschaue, was hier in den letzten Jahren gebaut, ääähm, gemalt wurde, was alles nicht gemacht wurde, um die Sicherheit für Radfahrende zu verbessern, dann höre ich: Nimm doch lieber das Auto, das ist sicherer, und dann sind wir auch für dich da.
Anmerkungen an Radbeauftragte der Stadt Pforzheim
Ich habe eine E-Mail mit Anmerkungen an die Radbeauftragten geschrieben, siehe hier.
Kommentare
2023-08-13 um 09:25 von Markus: Danke für die Mühe das alles aufzulisten. Perfekt ist das hier in Pforzheim natürlich nicht. Dennoch finde ich den Ansatz, den Radverkehr zu integrieren, besser als Radwege zu bauen. Straßen begleitende Radwege töten, das ist mittlerweile ziemlich sicher belegt. Radwege haben nur den Sinn, die Radfahrer von der Straße zu entfernen. Deshalb ist es vielleicht gut, dass hier das Geld dafür nicht so locker sitzt. Gehen Sie mal nach München, Überall Radwege mit Benutzungspflicht, lebensgefährlich....
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