…im Kontrast zum Umgang mit Anzeigen von Natenom gegen Autofahrende.
Vor mehreren Wochen hat mich jemand angezeigt. Diese Anzeige wurde bearbeitet von einem Polizisten in Pforzheim, ich nenne ihn hier „Plz“ und von einem Mitarbeiter der Bußgeldstelle Pforzheim, ich nenne ihn hier Herrn „BgSt“.
Ich möchte zuvor einige Informationen zu dem Polizisten und auch zur Bußgeldstelle nennen, bevor es dann um die Anzeige gegen mich geht. Diese Informationen sind meiner Ansicht nach wichtig, um einen Eindruck darüber bekommen zu können, wie unterschiedlich hoch die Anforderungen an eine Anzeige sein können.
Der Polizist Plz
Mit dem Polizisten hatte ich schon mehrfach in den letzten Jahren zu tun. Das erste Mal 2019 wegen eines Vorfalls, bei dem mich ein Busfahrer mit einem Bus in einer Kurve mit durchgezogener Linie und trotz Gegenverkehr mit sehr wenig Abstand überholte.
Unter anderem gab es folgende Anmerkungen des Polizisten zu diesem Vorfall:
- Ich hätte weiter rechts fahren müssen.
- Der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeug habe auch gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen, da rechts von diesem noch Platz bis zur Begrenzungslinie war.
- Wären alle Beteiligten ganz rechts gefahren, wäre es für den Busfahrer einfacher gewesen, zu überholen.
- Der Bus habe genug Abstand zu mir eingehalten.
- Außerdem könne der Bus nicht die ganze Zeit hinter mir fahren.
Bei dem selben Termin ging es noch um einen weiteren Vorfall, bei dem mich ein Autofahrender aus meiner Sicht bedrängte, lange hinter mir hupte und dauerhupend überholte.
Die Anmerkungen des Polizisten zu diesem Vorfall waren:
- Der Fahrer dürfe mit der Hupe anzeigen, dass er überholen will.
- Im Gesetz stehe zwar „kurz“, aber es sei nicht definiert, wie lange „kurz“ ist. Deshalb sehe er hier kein Problem. Nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit.
- Auch das zweite Hupen sei in Ordnung für den Polizisten, da der Fahrer wieder nur das Überholen anzeige.
Ein anderes Mal hatte ich mit dem Polizisten 2020 zu tun, nachdem ich Anzeige erstattet habe, weil mich eine Beifahrerin beim Überholen mit einer Dose beworfen hatte.
Der Polizist sagte zu diesem Vorfall unter anderem:
- Die Beschuldigte habe gar nicht mit Wucht geworfen, sondern nur ganz leicht. Oder es könne auch sein, dass sie die Dose nur aus dem Auto geworfen habe und gar nicht auf mich werfen wollte. Dann nahm er ein Stück zerknülltes Papier in die Hand, stützte seinen Ellbogen auf dem Schreibtisch ab, den Unterarm senkrecht nach oben zeigend, bewegte den Unterarm und die Hand etwas nach vorne, ließ das Papier fallen und sagte dazu, dass es ja eher so gewesen sei.
In den letzten Monaten hatte ich mit Herrn Plz zu tun, da er für drei aktuell laufende Strafanzeigen von mir gegen Autofahrende zuständig ist.
Bußgeldstelle Pforzheim
Mit der Bußgeldstelle Pforzheim hatte ich in der Vergangenheit schon sehr oft zu tun. Im Speziellen immer nur mit einem bestimmten Mitarbeiter, der exklusiv für die Bearbeitung meiner Anzeigen zuständig ist. Dieser wusste auch von Anfang an über die Anzeige gegen mich Bescheid und hat mich in einer E-Mail im Dezember auch darauf angesprochen („Es gibt Hinweise darauf, dass […]“). Ich habe damals nicht darauf reagiert, da keine Fragen gestellt wurden und ich in der Vergangenheit auch die Erfahrung machte, dass ich sowieso keine Antworten bekomme.
Doch hier in diesem Blogbeitrag geht es um einen anderen Mitarbeiter, den ich weiterhin Herrn „BgSt“ nenne und der die Anzeige gegen mich bearbeitete.
Erst einmal aber ein paar Informationen zur Bußgeldstelle selbst. Das ist nämlich die Bußgeldstelle, die in Pforzheim eine eigene Fantasie-StVO mit selbst definierten Abstandskategorien anwendet, die damit unter anderem Überholvorgänge auf der Landstraße mit hohen Geschwindigkeiten und nur 90 cm Abstand (l)egalisiert und ungeahndet lässt. Die in anderen Fällen mit sehr wenig Abstand keine Beeinträchtigung des Radfahrers erkennen kann und deshalb die neue, echte StVO außer Kraft setzt, die zu Recht ausserorts einen Mindestabstand von 2 Metern fordert.
Die Bußgeldstelle, die mir noch im Dezember 2020 schrieb, man werde meine Anzeigen nun gar nicht mehr bearbeiten, da man andere Prioritäten habe, es sei denn, andere Menschen (im Gegenverkehr) waren gefährdet/beeinträchtigt.
Hohe Anforderungen an meine Anzeigen wegen Mindestabstand beim Überholen
Damit man bei dieser Bußgeldstelle überhaupt meine Anzeigen bearbeitet, zum Beispiel wegen Unterschreitung des Mindestabstands beim Überholen, müssen viele verschiedene Anforderungen erfüllt sein. Denn ohne entsprechende Beweise wird man im Zweifel vor Gericht keine Chance haben.
Die Wichtigsten davon sind:
- Zeuge(n) oder Foto(s) der Überholsituation mit gut erkennbarem Überholabstand
- Erkennbares Kennzeichen
- Erkennbarer Fahrzeugführender oder Beschreibung
- Relativ genaue Uhrzeit
Wenn z. B. der Fahrzeugführende nicht beschrieben werden kann oder im Foto (Screenshot aus dem Video) nicht zu erkennen ist, dann wird auch die Anzeige höchstwahrscheinlich nicht bearbeitet.
Insgesamt gibt es also sehr hohe Anforderungen für eine Anzeige. Sowohl bei der Polizei als auch bei der Bußgeldstelle.
Bei Strafanzeigen (siehe diverse Pressemitteilungen) wegen Gefährdung des Straßenverkehrs reichen regelmäßig grobe Beschreibungen aus, wie z. B. „blauer Kombi (Marke xyz)“.
Doch selbst bei Erfüllung dieser Anforderungen wurde ich in der Vergangenheit immer wieder bei der Polizei abgewimmelt. Und auch die Bußgeldstelle hat trotzdem viele meiner Anzeigen nicht bearbeitet.
Verwarngeld gegen Natenom
Zurück zur Anzeige gegen mich. Anfang Januar 2021 bekam ich Post von der Bußgeldstelle Pforzheim. Ich sollte ein Verwarngeld in Höhe von 55 € bezahlen, da man mir vorwarf, wegen der Bedienung eines elektronischen Geräts Schlangenlinien mit dem Fahrrad gefahren zu sein. Als Zeugen wurden der oben genannte Polizist Herr „Plz“ inklusive Dienstgrad und Dienststelle genannt und ein weiterer, mir nicht bekannter Mensch.
Ich hatte darüber spekuliert, wie es sein könnte, dass ein Polizist im Dienst und gleichzeitig irgend ein anderer Mensch Zeugen sein konnten. Hätte mich ein Polizist im Dienst auf der Landstraße gesehen, hätte er doch sicher angehalten und mich angesprochen.
Telefonat mit Herrn „BgSt“ von der Bußgeldstelle
Ich rief bei der Bußgeldstelle an und sprach mit Herrn „BgSt“. Es stellte sich heraus, dass der Polizist gar nicht Zeuge war, sondern nur derjenige, der die Anzeige aufnahm. Der Mitarbeiter der Bußgeldstelle sprach von einem Erfassungsfehler.
Ich fragte nach, wie genau eine Akteneinsicht verlaufen würde und Herr „BgSt“ klärte mich auf und sagte, dass ich die Akte bekommen würde. Dann fragte er mich, ob ich denn der Fahrer des Fahrrads gewesen sei und ich sagte, dass ich mich dazu nicht äußern möchte.
Darauf sagte er, dass ich in dem Fall dann ein Zeuge sei und nicht Beschuldigter und die Akte unter diesen Umständen doch nicht bekommen würde.
Da ich dagegen protestierte und er sich nicht ganz sicher war, wollte er dazu noch einmal Rücksprache halten und sagte mir, ich solle ihm trotzdem mal eine E-Mail mit der Bitte um Akteneinsicht zusenden, was ich sofort tat.
Mehrere Tage später bekam ich die Akte per Post.
Die Anzeige
In der Akte steht der Originaltext des Autofahrers vom Oktober 2020, den ich sinngemäß wiedergebe.
Ein Fahrradfahrer (Internetname „Natenom“) stellt eine erhebliche Verkehrsgefährdung dar.
Gestern auf der Landstraße […] ist der Fahrradfahrer Schlangenlinien gefahren und hat dadurch den kompletten Fahrstreifen benötigt. Der Verkehr und ich wurden durch diese Fahrweise gefährdet.
Während der Fahrt bedient der Fahrradfahrer ein Handy oder eine Kamera und wird dadurch erheblich vom Straßenverkehr abgelenkt.
Solche gefährlichen Situationen verursacht der Radfahrer fast täglich auf dieser Strecke.
[…]
Tatzeit: xx.xx.2020 zwischen xx:15 und xx:45
Tatort: Landtraße […]
Sinngemäßer Text der Anzeige gegen mich, die ein Autofahrer schrieb.
Der einzige Vorwurf, den der Autofahrer hier macht: Irgendwann in einem Zeitraum von 30 Minuten soll irgendwo auf einer Landstraße von 3 km Länge ein Mensch mit Internetnamen Natenom Schlangenlinien gefahren sein.
Die genannte Landstraße hat von Anfang bis Ende einen Höhenunterschied von circa 100 Höhenmetern, hat an der steilsten Stelle eine Steigung von 9 % und der genaue Ort der Beobachtung wurde nicht genannt.
Dazu weitere Informationen, was der Radfahrer sonst so machen würde, wie z. B. elektronische Geräte bedienen.
Die Anzeige wurde per Online-Wache gestellt.
Bearbeitung der Anzeige bei der Polizei durch Polizisten „Plz“
Bei der Polizei bearbeitete der zuständige Polizist Herr „Plz“ die Anzeige. Zu diesem Polizisten habe ich oben im Text bereits ein paar Informationen geschrieben.
Aus der Akte ist ersichtlich, dass der Polizist aufgrund der schriftlichen Anzeige des Autofahrers eine Ordnungswidrigkeitenanzeige fertigte.
Der Vorwurf in diesem ausgedruckten Formblatt:
TBNR 123630 – Sie benutzten als Radfahrer ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, in vorschriftswidriger Weise *) und gefährdeten +) dadurch Andere.
Konkretisierung: Fahren in Schlangenlinien
Die durch den Polizisten gefertigte Ordnungswidrigkeitenanzeige.
Hier bei der Erstellung der Ordnungswidrigkeitenanzeige passierte etwas, das ich nicht nachvollziehen kann: Erst der bearbeitende Polizist Herr „Plz“ setzte „Schlangenlinien fahren“ mit „vorschriftwidriger Bedienung“ eines „Mobeltelefon elekt.Gerät [sic]“ und „Gefährdung Anderer“ in einen Zusammenhang.
Ob der Autofahrer tatsächlich die Bedienung eines Mobiltelefons o. ä. beobachtet hat oder dies nur eine nachträgliche Interpretation ist, bleibt unklar.
Dazu erstellte der Polizist einen Vermerk, in dem er u. a. schrieb, dass der Fahrradfahrer und auch sein Internetname (Twitter) aus früheren Ermittlungsverfahren bekannt sei. Dass bekannt sei, dass der Radfahrer eine Helmkamera nach vorne gerichtet habe und eine Kamera nach hinten gerichtet am Fahrrad angebracht habe. Und auch, dass der Radfahrer laut eigenen Aussagen (Twitter) einen Abstandsmesser am Fahrrad angebracht habe, um die Abstände beim Überholen zu messen.
Bearbeitung der Anzeige durch Herrn „BgSt“ der Bußgeldstelle
Aus der Akte geht nicht eindeutig hervor, wer den Tatbestand des Ausdrucks des Formblatts durchgestrichen und durch einen anderen ersetzt hat. Ich vermute aber, dass es bei der Bußgeldstelle gemacht wurde, denn wäre es bei der Polizei gewesen, hätte man das meiner Ansicht nach neu ausgedruckt. Jedenfalls ist der Vorwurf der „Gefährdung Anderer“ verschwunden und übrig blieb (handschriftlich notiert) „Tatbestand 123172 – elektr. Gerät, befestigt am Lenker des Fahrrads, bedient, Fahren in Schlangenlinien“.
Später fragte Herr „BgSt“ von der Bußgeldstelle per E-Mail beim Autofahrer nach, ob es für den Vorfall weitere Zeugen gebe oder ob Fotos zum Vorfall gefertigt werden konnten.
Und weiter schrieb der Mitarbeiter der Bußgeldstelle dem Autofahrer:
Bei zukünftigen Anzeigen gegen den Fahrradfahrer wäre es hilfreich wenn wir neben Uhrzeit und Datum auch mindestens 1 weiteren Zeugen und/oder Fotos zum Geschehen als Beweismittel anfügen könnten. Es stünde anderenfalls Aussage gegen Aussage. Eine mögliche gerichtliche Prüfung hätte dann leider wenig Aussicht auf Erfolg.
Vielen Dank im Voraus.
Brief der Bußgeldstelle an den Autofahrer, der mich angezeigt hat.
Darauf antwortete der Autofahrer, dass er weder Fotos noch Beweise habe, da er alleine im Auto unterwegs gewesen sei. Zeugen gebe es aber sicherlich, allerdings könne er keine Kennzeichen von entgegen kommenden oder hinter ihm fahrenden Autos nennen.
Fazit
Es lag also eine Anzeige vor, die sowohl vom Polizisten Herrn „Plz“ als auch von der Bußgeldstelle bearbeitet wurde, obwohl es keinerlei Beweise oder unabhängige Zeugen gab. Die hohen Anforderungen an eine Anzeige, die in meinen Fällen immer erfüllt sein müssen, waren hier offensichtlich nicht so wichtig.
Der Polizist Herr „Plz“ wurde im Anschreiben an mich fälschlicherweise als Zeuge genannt – was mich durchaus zu der Überlegung hätte bringen können, mich nicht dagegen zu wehren.
Dazu die Aussage eines Autofahrers, der meiner Meinung nach überhaupt nicht beurteilen kann, weshalb ein Radfahrender Schlangenlinien fährt, oder ob die „Schlangenlinien“ viel oder wenig sind.
Gründe dafür, dass ein Radfahrender in Schlangenlinen fährt, können z. B. sein:
- Wind
- Schlagloch
- Gegenstände auf der Fahrbahn
- bergauf fahren
- nach hinten schauen
- normales Schlenkern
- Unsicherheit/Angst wegen von hinten herannahendem Fahrzeug (dessen Fahrzeugführender beabsichtigen könnte, trotz Gegenverkehr und mit viel zu wenig Abstand zu überholen)
Die aus meiner Sicht übertriebene Darstellung des Autofahrers und auch das Vorhandensein von Autos im Gegenverkehr zum Zeitpunkt des Vorfalls lassen mich jedoch daran zweifeln, dass der Autofahrer um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden besorgt war.
Zur Erinnerung: Der Radfahrende soll laut Aussage des Autofahrers durch das Fahren in Schlangenlinien den gesamten, 3,2 m breiten Fahrstreifen benötigt haben. Da es auf der Strecke zum Teil recht steil bergauf geht, müsste es ziemlich lang gedauert haben, um vom rechten Rand des Fahrstreifens zum linken Rand und wieder zurück zu gelangen.
Es wäre auch möglich, dass jemand nicht bei Gegenverkehr überholen konnte, weil ein Radfahrender nicht ganz rechts fuhr und sich dafür mit einer Retourkutsche „bedanken“ wollte.
Da mir die Bußgeldstelle weder das Kennzeichen noch das Fahrzeug des Autofahrers genannt bzw. beschrieben hat, habe ich keine Möglichkeit, den Vorwurf irgend einem Ereignis in meiner Erinnerung zuzuordnen. Ich habe ein gutes Gedächtnis für solche Dinge.
Ende der Geschichte
Ich habe Ende Januar (nach der Akteneinsicht) einen Brief mit u. a. den hier genannten Argumenten an die Bußgeldstelle geschickt und gebeten, das Verfahren einzustellen.
Eine Woche später bekam ich einen Brief von der Bußgeldstelle – das Verfahren gegen mich wurde nach § 47 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten eingestellt.
Vielen Dank an die Menschen, die mich in dieser Angelegenheit unterstützt haben.
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