Ich war wieder mit einem neuen Abstandshalter unterwegs. Es ist eine Fahnenstange mit zwei Fähnchen (gelb und rot) am Ende für gute Sichtbarkeit.

Da sich ein Autofahrer auf einer Landstraße dadurch behindert fühlte, aber gar nicht behindert wurde, rief er die Polizei, und löste so einen Polizeieinsatz aus.

Warum Abstandshalter?

Ohne so einen Abstandshalter werde ich auf Landstraßen (trotz Gegenverkehr) oft mit deutlich weniger als 2 Metern Mindestabstand überholt. Immer wieder auch mit deutlich unter einem Meter. Das sind teilweise sehr beängstigende und mitunter sehr gefährliche Situationen. Nicht nur für mich, manchmal auch für andere Verkehrsteilnehmende.

Z. B. Fotos von Überholvorgängen mit wenig Abstand:

Oder hier ein Blogbeitrag mit einem entsprechenden Video, in dem jemand trotz freier Fahrbahn absichtlich knapp überholte.

Mit dem neuen Abstandshalter wurde ich bei den letzten beiden „Ausfahrten“ kein einziges Mal bei Gegenverkehr überholt, weil da einfach kein Platz mehr ist. Und auch ohne Gegenverkehr hielten die meisten Autofahrenden mehr Abstand als sonst üblich. „Sonst üblich“ ist oft nicht der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 2 Metern außerorts. Für mich war das sehr angenehm. Jeder hat gewartet, bis er gefahrlos über den linken Fahrstreifen überholen konnte. So, wie es dem Gesetz nach immer sein müsste, meistens aber nicht ist.

Hier eine Skizze, die zeigt, dass der Mindestabstand bei Gegenverkehr überhaupt nicht eingehalten werden kann. Beide Fahrzeuge sind inklusive Seitenspiegel 2,22 m breit und der Radfahrer 76 cm. Jeder der beiden Fahrstreifen ist 3,20 m breit.

Das Bild ist stammt von Alexander Hontzia und basiert auf der Skizze, die man weiter unten im Blogbeitrag sehen kann.

Der Abstandshalter ist variabel, maximal jedoch ca. 91 cm breiter als ich. Gestern beim Polizeieinsatz waren es 71 cm. Mit 90 cm Abstand darf man Radfahrende übrigens in Pforzheim auf Landstraßen und mit hoher Geschwindigkeit noch legal überholen, sofern das Fahrzeug mittig der Mittellinie gefahren wird. Kategorie 5 nennt die Bußgeldstelle Pforzheim das und ahndet solche Vorfälle generell nicht.

Polizeieinsatz

Ich war gestern also auf der L574 von Pforzheim nach Huchenfeld unterwegs. Irgendwann war ein Autofahrender hinter mir, der meiner Ansicht nach überhaupt nicht behindert wurde. Er kam von hinten angefahren, musste wegen Gegenverkehr bremsen und überholte danach trotz durchgezogener Linie mit sehr viel Abstand. Da er sich jedoch trotzdem behindert fühlte und die Polizei rief, die das mir gegenüber sagte, könnte man wohl davon ausgehen, dass er trotz Gegenverkehr mit viel zu wenig Abstand überholen wollte.

Circa 15 Minuten nach diesem Überholvorgang, als ich gerade oben in Huchenfeld angekommen war, überholte mich die Polizei und fragte, ob ich „da vorne“ rechts ranfahren könne.

Es war von beiden Seiten ein ruhiges und höfliches Gespräch.

Was die Polizei sagte… (Die Zitate sind keine echten Zitate sondern stammen aus meinem Gedächtnisprotokoll.)

Polizei: Sie hindern andere Verkehrsteilnehmer daran, an Ihnen vorbeizufahren…

Hier die Anzahl der Fahrzeuge, dessen Fahrzeugführende mich auf der Lanstraße auf einer Strecke von circa 3,5 Kilometern überholt hatten. Und jeder hat auf der Strecke überholt.

Fahrzeuglegal überholtdurchgezogene LinieGegenverkehr
Auto4233
Lkw3

Der wichtige Unterschied zwischen Fahrten ohne den neuen Abstandshalter: Niemand hat bei Gegenverkehr überholt.

An geeigneten Stellen bin ich, wie sonst auch immer, herausgefahren und habe alle vorbei gelassen, solange, bis ich keine Fahrzeuge mehr sehen konnte. Und die haben sich nicht hinter mir gestapelt sondern kamen halt gerade zufällig die Straße hoch.

FahrzeugAnzahl
Auto46
Bus1
Lkw

Um das Argument zu untermauern, dass man mich nicht überholen könne, sagte man mir, man sei ein „ganzes Stück“ hinterher gefahren und habe das auch auf Video.

Nun, ich konnte im Nachhinein dieses „ganze Stück“ nachvollziehen. Es waren ca. 250 Meter im Bereich der S-Kurve vor Huchenfeld mit durchgezogener Linie. Normalerweise überholt dort fast jeder Autofahrende und die meisten auch bei Gegenverkehr. Gestern tat das der Autofahrer hinter mir jedoch nicht, weil direkt hinter ihm die Polizei fuhr. Deshalb waren am Ende (am grünen Punkt im Screenshot) insgesamt elf Fahrzeuge hinter mir. Erst circa am roten Punkt kam der Fahrzeugführende hinter mir an und kurz darauf die Polizei.

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Ich empfinde es als mindestens schwierig, wenn die Polizei mir sagt, ich würde den Verkehr behindern, weil man mich in einer nicht einsehbaren Rechtskurve auf der Landstraße mit durchgezogener Linie nicht überholen könne.

Im folgenden Bild bin ich ungefähr bei der roten Markierung des oberen Screenshots. Damit können sich auch Ortsunkundige einen Eindruck davon machen wo man laut Polizei überholen können möchte.

Polizei: Wenn Sie sich so breit machen wie ein Fahrzeug, dann müssen Sie auch so schnell fahren, wie ein Fahrzeug…

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Mit der echten StVO hat diese Aussage jedenfalls nichts zu tun.

Polizei: Der Abstandshalter behindert andere Verkehrsteilnehmer…

Selbst wenn man argumentiert, dass der Mindestabstand ab der linken Kante des Abstandshalters gelte, dann kann er immer noch eingehalten werden.

Hier am Beispiel verdeutlicht. Das Auto (ein typischer SUV – Audi Q7) hat eine Breite von 2,22 m inklusive Seitenspiegeln, die Fahrstreifenbreite beträgt 3,20 m und entspricht damit der Landstraße L574, der Radfahrer hat nach rechts einen kleinen Abstand von 30 cm zur Fahrstreifenbegrenzung rechts. Es gibt trotz 71 cm herausragendem Abstandshalter die Möglichkeit, mit 200 cm Abstand zu überholen. Doch nur die wenigsten Autofahrenden halten zwei Meter zum Abstandshalter. Sie halten eher so viel Abstand, dass sie ihrer Ansicht nach gefahrlos am Abstandshalter vorbei kommen. Das verschafft mir einen gewissen Puffer, denn sonst orientieren sich diese Menschen an mir.

Ich erwarte übrigens nicht, dass man den Mindestabstand ab der linken Kante des Abstandshalters ansetzt und beschwere mich auch nicht, wenn weiterhin zwei Meter außerorts bzw. 1,5 Meter innerorts zu mir statt zum Abstandshalter gehalten werden.

Und ohne Abstandshalter halten sich viele Autofahrende auch nicht an den Mindestabstand. In solchen Fällen werden die Behörden in Pforzheim jedoch nicht aktiv.

Macht die Polizei Abstandskontrollen? Nein. Ahndet die Bußgeldstelle knappe Überholmanöver? Meistens nicht, aktuell gar nicht. Gibt es Aufklärungskampagnen zum Überholabstand? Nein. Und die Staatsanwaltschaft hat bisher alle Verfahren eingestellt. Ein paar sind aktuell noch in Bearbeitung.

Ich möchte gesund nach Hause kommen, wie jeder andere Mensch auch. Und wenn eine seitlich herausragende Ladung auf dem Gepäckträger dazu führt, dass mehr Menschen an den gesetzlichen Mindestabstand erinnert werden, dann ist der Sicherheit damit geholfen.

Ich habe mit vielen Menschen gesprochen – aktuell mache ich das nur sehr selten – das Thema war in der Presse, ich war mit der Polizei im Kontakt, mit der Bußgeldstelle, habe alles mir Mögliche versucht, um die Situation zu verbessern. Eine Zeit lang war sie sehr viel besser, die Abstände wurden größer. Aber die letzten Monate wurde es wieder schlechter.

Die Polizei und die Bußgeldstelle, die an der ganzen Thematik überhaupt nicht interessiert zu sein scheinen, werden jetzt aktiv, weil ich als letzte Möglichkeit zu meinem Schutz ein Stöckchen an mein Fahrrad binde, um egoistische Menschen mit mehreren Tonnen schweren Fahrzeugen auf minimalen Abstand zu halten?

Ergebnis steht noch aus

Die Polizei sagte mir, man werde bei der Stadt anfragen, wogegen der Abstandshalter verstoßen würde und mir dann Bescheid geben. Die Wörter Bußgeld oder Verfahren wurden nicht gesagt.

Ich fragte, ob ich denn so mit dem Abstandshalter weiterfahren darf. Erstmal ja, da man mir aktuell noch keine Begründung dagegen nennen könne. Man riet mir jedoch davon ab, weil man befürchte, dass irgendwann jemand trotzdem vorbeiziehen könne.

Ich bin gespannt und hoffe darauf, dass es erlaubt bleibt, mit dem Abstandshalter zu fahren. Denn eine andere Möglichkeit zum Selbstschutz fällt mir nicht mehr ein. Und auf meine Mobilität kann und will ich nicht verzichten.