Die Reise selbst hat bereits im August 2016 stattgefunden, aber für meine Erinnerung möchte ich trotzdem all das aufschreiben, was mir aktuell noch dazu einfällt – und das sind sehr viele Details. Und auch alles was ich aus den per OsmAnd aufgezeichneten GPX-Tracks und den wenigen Fotos herleiten kann.<

Hier gehts zum Reisebericht des zweiten Tages.

Es geht los

Morgens um 05:50 Uhr wache ich am Montag von alleine auf. Auf dem Campingplatz ist in der näheren Umgebung ausser mir nur noch ein weiterer Mensch wach. Ich nutze die Gelegenheit für die morgendliche Versorgung. Dann packe ich meine Sachen zusammen und versuche das Zelt von der spät über den “Hügeln” aufgehenden Sonne etwas trocknen zu lassen. Leider gelingt das nicht, da sich Wolken vor die Sonne schieben. Ich packe das leicht nasse Zelt ein. Da ich auf dieser Reise nicht mehr kochen werde, verschenke ich noch einen Liter Spiritus an einen anderen wachen Menschen, um ca. 800g Gewicht zu sparen. Dann fahre ich um ca. 07:20 Uhr los.

Auf den 14km nach Koblenz wäge ich die Vor- und Nachteile einer sofortigen Rückfahrt von dort nach Hause ab. Die Vorteile überwiegen. Ich könnte im aktuellen Zustand den ganzen Weg bis nach Köln gar nicht schaffen; bzw. nur, wenn ich meine Gesundheit gefährde.

Ab jetzt ist es sehr unangenehm, mit dem Rad zu fahren. Die Fahrradwege sind sehr schlecht und man muss ständig von endenden Fahrradwegen auf die Straße wechseln. Teilweise auf hohen Gehsteigen, wo man absteigen und das Rad herunterhieven muss; denn mit vollem Gepäck möchte ich nicht “herunterspringen”.

Ich bin überhaupt nicht fit und selbst in der Ebene fällt das Treten sehr schwer. Die Beine schmerzen und ich bin heilfroh, dass ich nur noch ein paar Kilometer vor mir habe. Ich fahre nur noch sehr langsam.

Fahrrad verboten am/im Bahnschalter

In Koblenz angekommen gehe ich zum DB-Service mit dem Ziel, eine Fahrkarte zurück nach Hause zu kaufen.

Es sind zwei Schalter belegt; die Dame ganz links ruft mir zu, ich dürfe mein Fahrrad nicht mit hinein nehmen.

Ich sage, dass ich es wohl kaum draußen stehen lassen könne und draußen anschließen, das komplette Gepäck abnehmen und mit mir herumtragen sei auch keine Option, das würde viel zu lange dauern und wäre absolut umständlich. Ich bitte sie um Verständnis. Man erlaubt mir, das Rad im Vorraum stehen zu lassen, wo ich es immer sehen kann.

Liebe Bahn; was glaubt denn das Management bei euch, wo man als Alleinreisender sein Fahrrad mitten auf dem Bahnhof unbeaufsichtigt stehen lassen kann mit vollem Gepäck bestehend aus mehreren Packtaschen, einem Zelt, Rucksack usw.?

Seltsam ist aber schon, dass eine Familie mit zwei Riesenkoffern nicht angemacht wird, die mit ihrem Gepäck sehr viel mehr Platz benötigt als ich inklusive Fahrrad und Gepäck.

Bahn und Fahrrad, nicht so einfach…

Die Dame, die mein Rad zuerst hinauswerfen wollte ist jetzt fertig und ich bin der Nächste in der Warteschlange. Ich lehne dankend ab und lasse den Menschen hinter mir vor. Ich mag die Dame jetzt nicht mehr und ausserdem könnte ich von dem Schalter ganz links mein Fahrrad nicht immer im Blick behalten. Ich warte auf den älteren Herrn am anderen Schalter.

Ich bin dran und gebe durch, dass ich gerne irgendwann zu einem Zeitpunkt ungleich jetzt aber noch heute und möglichst per Direktverbindung nach Hause fahren möchte.

“Das wird nix…” wird mir entgegnet. Es ist Sommerzeit/Urlaubszeit und viele Radfahrer seien per Bahn unterwegs. Es gebe für eine Direktverbindung keinen Fahrradstellplatz in der Bahn. Der nette Herr zeigt mir Alternativen auf mit insgesamt drei Umstiegen. Mit dem Fahrrad ist Umsteigen für mich eine Tortur, ich verneine und entscheide mich für die Rückfahrt am nächsten Tag von Köln aus.

Bis dorthin werde ich es schon irgendwie schaffen :)

Man lernt bei großen Tagestouren sehr schnell, dass man noch sehr viele Kilometer fahren kann, auch wenn man eigentlich denkt, es würde nichts mehr gehen.

Per Schiff nach Köln?

Ich telefoniere mit einem Menschen und mir wird der Vorschlag gemacht, ich könne mit dem Schiff von Koblenz bis nach Köln fahren.

Also fahre fahre zum Rheinufer und finde den Kartenverkauf für die Schiffstouren. Man sagt mir, dass schon seit langem kein Schiff mehr von Koblenz nach Köln fährt. Der nächste Ort, von dem aus das Schiff fährt sei Bad Breisig.

Wieder bin ich an diesem Tag total demotiviert, genervt und auch etwas verzweifelt. Ich muss also weitere 30km mit dem Fahrrad bis nach Bad Breisig fahren, um dann den Rest bis nach Köln mit dem Schiff fahren zu können.

Einkaufen und Essen

Jetzt sollte ich aber dringend etwas essen und halte Ausschau nach einem Supermarkt. Ich könnte auch zum Bahnhof zurückfahren, in dessen Nähe es mehrere Supermärkte gibt, aber das ist eben “zurück” und das ist psychologisch aktuell gar nicht gut.

Ich fahre in Koblenz über die Mosel und ein paar Kilometer später entdecke ich eine große Filiale einer Bäckerei mit einem riesigen Vorraum, in dem alte Menschen mit ihren Gehhilfen rangieren. Da ich leider keinen Ort ausmachen kann, an dem ich mein Fahrrad gut sichtbar abschließen könnte, nehme ich das Rad einfach mit rein.

Mich nerven solche Situationen… und vor allem das fehlende Verständnis anderer Menschen.

Eine Mitarbeiterin ruft mir zu: “Sie dürfen mit dem Fahrrad hier nicht rein!”

Ich rufe zurück: “Aber ich bin schon drin!”

Ich versuche ihr zu vermitteln, dass es hier keine Möglichkeit zu geben scheint, das Fahrrad gut sichtbar anzuketten. Sie schlägt mir vor, ich könnte es vor der Türe stehen lassen und abschließen. Da kann ich es aber nicht sehen.

Alles klar! Der Dame ist bewusst, dass es sinnvoll sein könnte, das Fahrrad abzuschließen. Sie kann aber nicht das bisschen weiterdenken, dass am Fahrrad viele interessante Taschen hängen, die ich eben nicht zuschließen kann. Und auch nicht, dass ich dann mein Fahrrad nicht mehr im Blick hätte. Ich bedanke mich genervt und verlasse den Laden.

Ein paar hundert Meter weiter finde ich einen großen Supermarkt.

Jetzt muss ich mein Fahrrad anschließen, alle Taschen und Einzelteile wie Licht, Tacho, usw. abmontieren, in den Einkaufswagen packen und dann kann ich einkaufen gehen.

Ich komme zurück mit allerlei netten Nahrungsmitteln. Unter anderem mit Trauben. Dann lasse ich mich auf dem Parkplatz nieder und die Leute gucken wieder. Man darf doch hier im Lande nicht einfach auf dem Boden sitzen…

Keine besseren Menschen…

Ich fahre los und werde auf der Hauptstraße trotz Gegenverkehr von einem Polizeiauto ziemlich knapp überholt. Ich verkneife es mir, wie sonst immer, hinterher zu winken. Dann kommt mir der Gedanke, dass dieser Fahrer ja kein besserer Mensch sein muss als alle anderen, nur weil er in solch einem Auto sitzt. Das beruhigt mich irgendwie.

Weg vom Rhein… und zurück…

Dann fahre ich weiter Richtung Bad-Breisig, aber nicht mehr am Rhein entlang sondern durchs Land.

Der Weg führt mich auf einen “kleinen Berg” hinauf und oben angekommen bin ich sehr froh, hierher gefahren zu sein. Es ist zwar sehr anstrengend, vor allem, weil ich ziemlich kraftlos bin, aber es ist dennoch schön, weil es nicht immer eben ist.

Nach ein paar Kilometern geht es dann wieder zurück zum Rhein und nach wenigen weiteren Kilometern bin ich endlich in Bad Breisig angekommen.

Endlich kann ich mich ausruhen und auf das Schiff warten, das mich nach Köln bringen wird. Als ich jedoch den Preis sehe, überlege ich ernsthaft, ob ich mir das leisten möchte/soll. Circa 45 Euro bis nach Köln. Das ist für meine Verhältnisse wirklich sehr teuer. Die Fahrt dauert ungefähr 3 Stunden.

Ich telefoniere mit einem Menschen und lasse mich lange überreden, die Fahrt als Geschenk anzunehmen :)

Ich mache eine sehr lange Pause und bevor das Schiff ankommt, fahre ich noch zu einer nahe gelegenen Tankstelle, um mich mit Wasser zu versorgen; hier habe ich leider keine Menschen gesehen, die ich nach Wasser hätte fragen können.

Mit dem Schiff nach Köln

Per Rampe kommt man auf das Schiff drauf, auch mit dem Fahrrad ist das kein Problem. Es sind auch noch andere Fahrradmenschen da.

Wir werden angewiesen, die Fahrräder in der hinteren Hälfte des Schiffs abzustellen und dann in den vorderen Teil zu gehen. Ich bezahle an der Kasse noch mein Ticket und erfahre von dem Menschen vor mir zufällig, dass es einen besonderen Bonus für mich gibt und ich bezahle weniger als gedacht :)

Hier zur Erinnerung ein Fotos meines Tickets:

Das Ticket für die Schiffsfahrt.

Jetzt könnte ich mich oben auf das Schiff setzen und die Aussicht genießen. Aber erstens habe ich sowas schon vor vielen Jahren mal gemacht und kenne es. Zweitens sind da oben viele, viele Menschen. Und drittens möchte ich das Fahrrad mit Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen. Ich beschließe, beim Rad zu bleiben und habe damit für die nächsten drei Stunden der gesamten Fahrt bis nach Köln das halbe Schiff für mich alleine. Denn hier hinten wird weder bedient noch verirrt sich jemand hierher.

Seit dem Start meiner “Radreise” ist das hier die erste Zeit, in der nicht massenhaft Menschen um mich herum sind. Herrlich. Der Boden vibriert ständig und knarrt vor sich hin. Ich lege mich wieder mitten im Raum auf den Boden und genieße die Fahrt. Zwischendurch schalte ich den Laptop ein und mache Notizen.

Bei jedem Halt des Schiffs wird die Ruhe (vor Menschen) kurz gestört durch neue Menschen, die schnell ihr Fahrrad hier abstellen.

Später nehmen ein paar Mitarbeiter ihre Nahrung im hinteren Teil des Schiffs zu sich.

Hier ein paar Bilder vom hinteren Schiffsteil:

Fahrräder im hinteren Teil des Shiffs auf der Fahrt von Bad Breisig nach Köln

Und noch ein kurzes Video für mich:

Schiffsfahrt nach Köln (Link zum Video)

Köln

Mit etwas Verspätung kommt das Schiff in Köln an. Ich werde abgeholt von der Person, die mir die Fahrt gesponsert hat und zu ihrer Wohnung sind es noch etwa 10 km mit dem Fahrrad.

Hier werde ich mit einer Abendmahlzeit meiner Wahl bekocht und bekomme auch einen Nachtisch :)

Kagube auf einem Balkon in Köln

Schnell noch drei Fotos gemacht und dann gehts auch schon schlafen; der Zug morgen wird ziemlich früh abfahren.

Kagube auf einem Balkon in Köln
Kagube auf einem Balkon in Köln

Bilanz

Bilanz heute: 60 km bei einer ø-Geschwindigkeit von 18km/h und ca. 7 Stunden reiner Fahrtzeit.

Endlich angekommen, wenn auch nicht ganz aus eigener Kraft. Aber in drei Tagen von zuhause bis nach Köln ist auch ganz ordentlich.

Die Speichen haben sich heute nicht mehr gelöst.

Gute nacht :)