Es ist 00:19 Uhr; ich wälze mich seit Stunden auf der Isomatte und kann nicht schlafen. Ich packe meinen Laptop aus schreibe meine Gedanken auf. Nach einer Weile mache ich den Laptop aus und versuche wieder zu schlafen; ohne Erfolg.

Aufstehen…

Irgendwann gegen 06:xx Uhr fühlt es sich an, als würde mir gleich das Einschlafen gelingen, da merke ich wie es von oben tropft. Das Zelt ist nach neun bis zehn Stunden Dauerregen durchlässig geworden. Das war es wohl schon vorher, aber an anderen Stellen. Denn als ich meine Sachen packe, merke ich, dass der Schlafsack aussen und die Isomatte unten nass sind.

Ich packe schnell meine Sachen zusammen und ziehe währenddessen meine komplette Regenmontur an: Regenjacke, Regenhose, Helmüberzug, wasserdichte Handschuhe und Regenüberschuhe.

Dann packe ich noch das komplett durchnässte Zelt ein.

Los gehts während es immer noch regnet, aber nicht weiter zum Bodensee, wie ursprünglich geplant, sondern zurück nach Hause. Mit durchnässten Sachen lässt es sich nicht gut campen und trocken bekomme ich die an so einem Tag nicht mehr. Es ist Dauerregen bis zum Abend angesagt.

Total demotiviert folge ich dem Navi, und stehe nach wenigen Metern wieder vor Treppen; aber nur, weil ich zu doof bin und ein paar Meter weiter die Straße nicht sehe, die das Navi eigentlich meint :P

Ca. 11 Kilometer fahre ich bis zu einer Kleinstadt. Zweimal wäre ich dabei beinahe auf einer Kraftfahrstraße gelandet…

Weiter mit dem Zug :)

In der Kleinstadt Frommern sehe ich eine Bahnhaltestelle und entscheide mich kurzfristig, mit der Regionalbahn bis nach Tübingen zu fahren.

Ich kaufe ein normales Ticket für mich und eines für mein Fahrrad; später wird mir die freundliche Zugbegleiterin sagen, dass Sonntags ab 09:00 Uhr das Fahrradticket unnötig gewesen wäre; aber davor hätte es vermutlich 60 € Strafe gekostet, wenn ich keines gezogen hätte und beim Kauf gab es auch keine Info diesbezüglich.

An der Bahnhaltestelle gibt es ein interessantes Schild mit zwei Tastern darunter, die man eigentlich von Fußgängerüberwegen kennt. Je Richtung ein Taster. Da die Bahn hier nur bei Anforderung hält, muss man einen der Taster betätigen, wenn man mit will.

Zug hält nur bei Bedarf in Frommern

Interessanterweise sieht man das Schild nicht, wenn man in der Wartezone sitzt oder sich ein Ticket kauft, sondern erst, wenn man direkt am Gleis steht und sich umdreht. Da war wohl wieder der schlaue Fuchs vom Campingplatz am Werk :P

Der Zug ist da und der Einstieg gestaltet sich dank breiter Türen sehr einfach.

Umsteigen mit dem Rad…

Von Tübingen aus wäre ich gerne mit der Regionalbahn bis nach Herrenberg weitergefahren. Aber der entsprechende Zug hatte sehr enge Türen und ein Einstieg ist dann sehr stressig für mich, denn man muss alle Packtaschen vom Fahrrad abnehmen, erst das Rad einladen, dann die Taschen. Und zwischendurch steigen Menschen ein und aus. Dabei habe ich immer die Befürchtung, dass der Zug schon losfahren könnte.

Dass das keine unbegründete Befürchtung ist, habe ich bei meiner vorherigen Radreise beobachten dürfen: Da ging auf einmal die Türe des Waggons zu, als eine Mutter und ihr junger Sohn dabei waren, das zweite Rad aus dem Zug zu holen und der Sohn musste sich mehrmals mit vollem Gewicht gegen die Türe stemmen.

Sie machten auf sich aufmerksam, die Zubegleiterin zwei Waggons weiter vorne bekam es mit und konnte Schlimmeres verhindern. Als die beiden dann alles aus dem Zug ausgepackt hatten, schlossen sich die Türen und der Zug fuhr los, ohne Zugbegleiterin, die noch draußen stand. Diese schrie nach vorne und der Zug blieb nach ein paar Metern wieder stehen, sie konnte einsteigen und nach wenigen Minuten fuhr der Zug dann weiter.

Etappenziele

Um mir die knapp 60km bis nach Hause zu erleichtern, entscheide ich mich, die anstehende Strecke in psychologisch aushaltbare Teiletappen aufzusplitten. Ausserdem bin ich ziemlich unausgeschlafen und kraftlos. Dreimal ~20km nacheinander sehen auf dem Display schöner aus als einmal 60km :)

Erste psychologische Etappe

Die erste Etappe führt mich von Tübingen nach Herrenberg, das sind ca. 20km. Wegen der Erfahrungen mit dem Navi von gestern wähle ich dieses mal YOURS als Service für die Streckenberechnung in OsmAnd; dafür benötigt man eine Internetverbindung.

Ersteinmal läuft alles gut, aber dann – das Schild zeig 12km bis Herrenberg – führt mich das Navi weg von der Bundesstraße auf einen geschotterten Feldweg und nach ein paar hundert Metern wird der Schotter plötzlich sehr grob, sodass ich meinen schmalen Tourenreifen nicht mehr fahren kann; also schiebe ich wieder.

Irgendwann wird der Weg wieder befahrbar aber dann nach wenigen hundert Metern hört der Feldweg auf und ich soll nach links abbiegen. Okay, man kann da schon einen Weg erahnen und mit dem Pferd geht das bestimmt, denn es ist ein zugewachsener, matschiger, ehemaliger Feldweg. Ich schiebe wieder und empfinde eine Mischung aus Wut auf das Navi (auch wegen gestern) und aus totaler Frustration, weil ich bestimmt schon in Herrenberg angekommen wäre, wenn mich das Navi nicht von der Bundesstraße gelotst hätte.

Nach circa 2 Kilometern Schieben komme ich endlich auf einen befahrbaren Feldweg. Mein Fahrrad ist total eingesaut, meine Radschuhe und Socken sind durchnässt, denn ich fahre mit Klickpedalen und die Schuhe sind deshalb an der Sohle undicht. Das spielt während der Fahrt keine Rolle, ist aber problematisch, wenn man durch nasses Gras läuft.

Wenig später fahre ich in Herrenberg ein und will irgendwo etwas essen gehen. Da ich mich nicht für ein bestimmtes Restaurant entscheiden kann, lasse ich das sein.

Autostraße vs. Fahrradweg

Auf dieser Etappe wird mir übrigens sehr deutlich, was mir schon öfter an anderen Strecken aufgefallen ist: Während “Autostraßen”; ebenerdig verlaufen oder meist nur eine minimale Steigung oder ein Gefälle haben, sind die “Fahrradwege”, die parallel dazu verlaufen, oftmals ein stetiges Auf und Ab und das manchmal auch mit extremer Steigung.

Auf dem Weg nach Herrenberg fällt das besonders auf, weil die Bundesstraße fast immer abschüssig aussieht, während ich mehrere “Hügel” erklimmen muss. Auch das ist sehr frustrierend. Beim nächsten Mal werde ich trotz vorhandener Radwege immer auf die Straße ausweichen, zumindest wenn ich schnell nach Hause kommen möchte.

Zweite psychologische Etappe

Von Herrenberg aus führt die zweite Etappe mich erneut ca. 20km bis nach Althengstett.

Kurz vor dem Etappenziel komme ich auf die Idee, dass ich wasserdichte Socken in meinem Gepäck habe und ziehe mich um; und sofort wird es sehr viel angenehmer.

Meine Handschuhe sind schon seit Stunden durchnässt, obwohl sie wasserdicht sein sollten. Ich packe sie ein und fahre ohne Handschuhe weiter. Der Rest meiner Regensachen hält, was die Hersteller versprechen.

Weil ich nicht ohne Bilder von der Strecke nach Hause kommen möchte, halte ich kurz vor Althengstett an und mache dieses Foto (in echt sieht das viel beeindruckender aus mit den Nebelschwaden, aber für meine Erinnerung reicht es):

Althengstett im Regen und Nebel.

Dritte psychologische Etappe

Von Althengstett bis nach Hause sind es noch ~18km. Da ich die Strecke schon sehr oft gefahren bin fühle ich mich schon, als sei ich bereits zuhause. Denn von jetzt an kann ich den notwendigen Kraftaufwand einschätzen.

Kurz hinter Althengstett fahre ich bei lautstarker Musik aus meinen Bluetooth-Lautsprechern im starken Regen über die Landstraße. Da sehe auf dem Gehweg einen mittelalten Herrn stehen, der mir einen „Daumen hoch“ zustreckt, sich sehr zu freuen scheint, mir zunickt und etwas zuruft, das ich nicht mehr weiss.

Ziel erreicht mit guter Laune :)

Nach ein paar weiteren Kilometern durch schöne Wälder komme ich schließlich nach insgesamt 68km an diesem Tag endlich total erschöpft aber entspannt und mit guter Laune zuhause an.

Mein Fazit

Egal wie furchtbar es zwischendurch auch war, letztlich war es sehr schön, unterwegs gewesen zu sein.

Was daraus gelernt?

Vieles…

  • Beim nächsten Mal werde ich eine viel detailliertere Streckenplanung vornehmen und diese auch mit Satellitenbildern überprüfen; und mir vor allem irgendwo ein Höhenprofil anzeigen lassen.
  • Ich werde keine große und schwere Kamera mehr mitnehmen, vielleicht eine kleine.
  • Bereits vor Fahrtantritt werde ich mir ein paar Restaurants heraussuchen und mir deren Speisekarten anschauen; weil ich mich unterwegs nicht entscheiden kann.
  • Kagube braucht unbedingt einen Regenponcho, damit er auch bei Regen draußen bleiben kann…
  • Werde mir überlegen, ob ich in Zukunft noch mein Kochgeschirr mitnehme oder nicht besser unterwegs esse.
  • Ich brauche neue, wirklich wasserdichte Handschuhe.
  • Ein neues, wirklich wasserdichtes Zelt muss auch her.
  • Die Hosenträger für die Regenhose haben sich bewährt.
  • Der neue Lowrider und die neuen Taschen vorne haben sich bewährt.

Hier gehts zum ersten Tag der Radreise